Motorsport ist Männersport! – eine völlig klare Angelegenheit könnte man vermuten oder?
Freilich so ganz eindeutig stimmt das nicht. In vielen Sportarten, egal ob Fußball, Leichtathletik, Schwimmen oder Skilanglauf gibt es eine klare Geschlechtertrennung, sieht man von wenigen Ausnahmen wie beim Eiskunstlauf der Paare oder Kinderfußball in den ersten Jahrgängen einmal ab. Wo bleiben da Gleichberechtigung und Emanzipation?
Die Antwort findet sich gerade im Motorsport, denn hier kommt ein geschlechtsneutraler Aspekt hinzu, nämlich die Technik. Einem Rennwagen ist es schlichtweg gleichgültig, ob Mann oder Frau hinter dem Steuer sitzt. In über 60 Jahren amerikanischem Stock Car Racing der diversen Rennorganisationen wie NASCAR, USAC oder ARCA nahmen neben den unzähligen Männern aber trotzdem nur vereinzelt Frauen an dieser populären Motorsportart teil.
In dieser Story sollen nun einmal die Damen zu Ehren kommen, chronologisch aufgereiht und mit einigen Hintergrundinformationen versehen.
Sara Christian
In einigen Publikationen oder in den Weiten des Internets wird fälschlicherweise Louise Smith (s. u.) als erste Frau im Stock-Car-Motorsport bei der NASCAR Grand National Serie genannt. Die erste Frau am Start eines Grand-National-Rennens war jedoch Sara Christian, und zwar beim allerersten Rennen dieser neuen Rennorganisation am 19. Juni 1949 auf dem Charlotte Speedway. Sara Christian qualifizierte sich mit ihrem 49er Oldsmobile, dem Auto ihres Ehemannes, der davon nicht einmal etwas wusste, auf Rang 13 und belegte am Ende des Rennens Platz 14.
Bei ihrem zweiten Start am 10. Juli 1949 auf dem Daytona Beach Course, traten mit Ethel Flock-Mobley und Louise Smith zwei weitere Frauen an.
Die weitere Rennstatistik von Sara Christian konnte sich durchaus mit den Männern messen. Bei sieben Starts, die meisten davon auf einem Ford Coupe mit den Startnummern 7 oder 71, kam sie einmal in die Top 5 und erreichte am Ende des Jahres 1949 den 13. Platz in der Gesamtwertung der NASCAR Grand National Serie. Eine beachtliche Leistung bei immerhin insgesamt 110 Fahrern in der Meisterschaft.
Louise Smith
1916 in Barnsville, Georgia geboren kam Louise Smith 1920 mit ihrer Familie nach Greenville, South Carolina. Als Jugendliche endete ihre erste Fahrt mit einem Auto mit einem Crash im Hühnerschuppen, was sie aber nicht davon abhielt, ihrer Leidenschaft weiter nachzugehen und später Autorennen zu fahren.
Zwischen 1946 und 1956 fuhr sie zahlreiche Rennen mit Modified Stock Cars und gewann in dieser Zeit 38 Rennen. Nachdem sie Bill France Sr. kennengelernt hatte, half sie diesem bei der Promotion der neuen Rennserie NASCAR Grand National Stock Cars. Ihre erste eigene Teilnahme in der NASCAR war am 10. Juli 1949 beim 150-Meilen-Rennen am Daytona Beach. Sie belegte dabei den 20. Rang. In diversen Quellenangaben wird Louise Smith durch ihren hohen Bekanntheitsgrad oft als erste Frau bei NASCAR genannt, tatsächlich bleibt dieser Titel aber bei Sara Christian, die, wie bereits beschrieben, einen Monat vorher am Start war.
Vor dem Rennen in Daytona wurde in der Presse bekannt, dass eine Frau im Rennen teilnehmen würde, die in der Nähe ihrer Heimat in South Carolina alle Männer der Highway Patrol in Grund und Boden gefahren hätte. In den Saisons 1949, 1950 und 1952 bestritt Louise Smith insgesamt elf Rennen in der NASCAR Grand National Series, ihr bestes Ergebnis war ein 16. Platz auf dem Langhorne Speedway.
Louise war bekannt für eine recht aggressive Fahrweise und dadurch bedingt auch für spektakuläre Unfälle sowie eine hohe Ausfallquote von 50 % bei den Rennen. Nach einem schweren Unfall beendete sie 1956 ihre Rennkarriere, kam aber 1971 als Sponsor für Ronnie Thomas, Bobby Wawak und Larry Pearson in den NASCAR Winston Cup zurück. 1999 wurde Louise Smith in die Motorsports Hall of Fame aufgenommen.
Ethel Flock-Mobley
Ethel erhielt ihren Vornamen nach der Benzinmarke, die ihr Vater in seinem Taxi fuhr. Sie war die jüngste Schwester der bekannten Flock-Rennfahrerfamilie und fuhr genau wie ihre Brüder Tim, Fonty und Bob Flock in der NASCAR. Beim 150-Meilen-Rennen auf dem Daytona Beach am 10. Juli 1949 traten alle Geschwister an. Ethel belegte den 11. Platz und wurde im familieninternen Duell nur von ihrem Bruder Tim Flock geschlagen, der den 2. Platz erreichte. Fonty Flock kam auf Platz 19, Bob Flock belegte 22. Platz. Es war das einzige Rennen in der NASCAR-Geschichte, bei dem Bruder und Schwester fuhren und auch jemals das einzige Rennen, in dem vier Geschwister gleichzeitig teilnahmen. Trotz des Erfolges startete Ethel nur noch ein weiteres Mal bei einem Rennen auf dem Langhorne Speedway.
Ann Chester
Die vierte Frau, die jemals in der NASCAR Grand National Series an den Start ging, war Ann Chester aus New York. Beim Rennen am 18. Juni 1950 auf dem Vernon Fairground in New York hatte ihr Plymouth jedoch früh technische Probleme und sie belegte nur den 22. Platz von 23 Rennteilnehmern. Bei ihrem zweiten Start am 27. August 1950 auf dem Hamburg Speedway, ebenfalls im State New York, hatte sie nicht viel mehr Glück und schied nach 92 Runden durch einen Unfall aus.
Ann Bunselmeyer
Das einzige Rennen, das Ann Bunselmeyer aus Elmsford, New York in der NASCAR bestritt, war das 500-Meilen-Rennen am 01. Oktober 1950 auf dem Vernon Fairground. Sie belegte mit einem Packard den 18. Platz.
Marian Pagan
Im Jahr 1954 gab es nur einen einzigen Start einer Rennfahrerin in der NASCAR Grand National Series, und zwar am 01. August im Oakland Stadium in Kalifornien. Pagan konnte das Rennen zwar beenden, hatte aber 39 Runden Rückstand auf den Sieger Danny Letner. Mit ihrem Plymouth belegte sie trotzdem noch den 18. Platz.
Fifi Scott
Am 08. Mai 1955 gab Fifi Scott ihr Renndebüt beim 1000 Meilen Dirt-Track-Rennen auf den Arizona State Fairgrounds, musste aber mit ihrem 1953 Hudson Hornet in Runde 74 wegen eines Reifenschadens aufgeben. Bei ihrem zweiten Renneinsatz, bereits am 15. Mai 1955 auf den Tucson Rodeo Grounds, ebenfalls in Arizona hatte Scott mehr Glück und belegte einen guten 13. Platz.
Goldie Parsons
Von 1955 bis 1965 blieb die NASCAR Grand National Serie ohne weibliche Starter bei den Rennen. Erst am 07. November 1965, beim Abschlussrennen der Saison, kam Goldie Parsons zum Einsatz. Mit einem 65er Oldsmobile von Buck Baker Racing belegte Goldie einen akzeptablen 14. Platz. Trotz des in Stock-Car-Kreisen bekannten Namens Parsons war Goldie Parsons aus Clemmons, North Carolina weder mit Benny noch mit Phil Parsons in Verbindung.
Von den zuletzt genannten Damen in Stock-Car-Rennwagen Ann Chester, Anne Bunselmeyer, Marian Pagan, Fifi Scott und Goldie Parsons war leider kein Bildmaterial zu recherchieren.
Nach Goldie Parsons vergingen erneut 10 weitere Jahre, bis wieder eine Frau in der NASCAR antreten sollte.
In dieser 3-teiligen Beitragsserie „Female Drivers“ sind jedoch nur die bekannten Fahrerinnen genannt, die in der höchsten Rennserie von NASCAR, der Grand National Serie dokumentiert wurden. In den regionalen Rennserien von NASCAR, USAC, ARCA, IMCA oder ASA sowie den Modified, Sprint Racern und Hobby Stock Serien gab es sicherlich weitere Frauen hinter den Lenkrädern, nur gibt es davon kaum zugängliches Archivmaterial.
Die nächsten Teile der Story „Female Drivers“ beschäftigen sich mit den Jahren von 1975 bis heute in den Sprint Cup und die Nationwide Serie. Darüber hinaus wird es mit «Family Racing» einen Bericht geben über Väter, Söhne und Enkel oder Brüder im Stock-Car-Rennsport.