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Geschichte

Die 70er Jahre

Teach Your Children Am 11. Januar 1972 verkündet Bill France, sr. seinen Rücktritt als Präsident von NASCAR, und inthronisiert zugleich seinen Sohn Bill France, jr. zum Nachfolger. Sein letzter Deal war die Einführung der Winston Cup Grand National Series, mit dem bereits zwei Jahre zuvor eingestiegenen Hauptsponsor R.J.Reynolds. Sponsor Winston war aber nur bereit Veranstaltungen mit mindestens 250 Meilen Rennlänge zu unterstützen. Vorbei waren damit die Zeiten der 100 und 125 Meilen Short Track Rennen; sie wurden nun zur Spielwiese der Grand National East und West Series. 22 Jahre lang waren die Rennen auf den kleinen Kursen, egal ob auf Asphalt- oder Naturbahnen, das Salz in der Suppe des Grand National gewesen. Klar, wer das große Geld suchte war hier an der falschen Adresse, aber wer Champion werden wollte, musste hier Punkte einfahren.
Doch Bill France war der Vertrag mit Reynolds noch nicht genug. Er wollte General Motors wieder auf Strecken holen. Da die Firma selbst nicht aktiv werden wollte, und er selbst keinen Wagen bauen durfte, transferierte er 1972 reichlich Dollars auf das Konto von Richard Howard, seines Zeichens Vizepräsident von Charlotte MotorSpeedway (heute Lowes Motor Speedway). Dieser beauftragte nun Junior Johnson einen Chevrolet aufzubauen und zu fahren. Den ersten Wunsch erfüllte ihm Junior Johnson, den zweiten nicht. Aber der von ihm angeheuerte Fahrer Bobby Allison holte schon im 6. Rennen den ersten Sieg, und im selben Jahr die Vize Meisterschaft. (Anmerkung des Verfassers: Es waren Junior Johnson und Richard Howard, die Reynolds bei Bill France vorstellten; und so schließt sich der Kreis)

Mit dem Ende der Saison 1970 beenden Chrysler und Ford die direkte Werksunterstützung ihrer Nascar Teams. Ständige wechselseitigen Boykottdrohungen und die schlechte Presse nach den vielen offenen oder verstecktenBetrügereien, ließen die Verkaufszahlen inzwischen sogar sinken. Davon waren nicht nur die Werksteams betroffen, sondern auch die kleinen Privaten, die bisher preiswert von dem lebten, was die Großen ausmusterten, bekamen Schwierigkeiten. Der Rückzug der Automobilfirmen, und der Einstieg von Reynolds hatte den Damm gebrochen. Erstmals konnten andere, branchenfremde Firmen, sich im Nascar Sport ins rechte Licht zu rücken. Und die Firmen nutzten diese Chance. Die STP Corporation stieg bei Petty Enterprises (Plymouth) ein, K&K Insurance bei NordKrauskopf (Dodge), Purolator bei Bud Moore (Ford) und Holly Farms bei Junior Johnson (Chevrolet). Auch das viele Geld, das der neue Hauptsponsor Winston in die Serie pumpte, wurde von Nascar an die vier großen Teams verteilt, mit der Maßgabe, neue Motoren und Chassis zu entwickeln, zu bauen, und allen anderen Teams zugänglich zu machen. Nun war Nascar endlich von der Abhängigkeit der Autofirmen befreit, und konnte sich als eigenständiges Wirtschaftsunternehmen etablieren.

Big Block – Long Time Gone

Jahrelang hatte NASCAR versucht mit Vergaserscheiben die Leistungsexplosion der Werksmotoren zu drosseln. 1974 nutzte man die Chance, aufgrund der Energiekrise, zu einen Rundumschlag. Alle Motoren, größer als 366 cubic inch (6 Liter), mußten einen einheitlichen Holley Vergaser verwenden. Die großen Motoren, die 10 Jahrelang die Rennen beherrscht hatten, waren auf einmal genauso schnell wie die Wagen mit kleineren Motoren, nur brauchten sie dafür viel mehr Benzin. Bevor die 7 Liter Big Block’s, wie Chryslers 426er Hemi oder der 429er Boss Motor von Ford, den Aderlass kompensieren konnten, schaufelte NASCAR noch mehr Erde über ihr Grab. Mitte 1974 war die einheitliche Begrenzung auf 358 cubic inches, für die Saison 1975, beschlossene Sache. Doch ganz neue Probleme traten für NASCAR auf. Der Ölschock, und die darauf folgenden neuen Vorschriften aus Washington, zwangen die Hersteller, Karosserien und Motoren entscheidend zu verkleinern. Nur die großen, klotzigen Dickschiffe der Oberklasse wurden jetzt noch mit Motoren geliefert, die die konkurrenzfähige Hubraumgrenze ausschöpften.Die bisher in den Rennen verwendeten Mittelklassemodelle waren von den Herstellern auf das von NASCAR verpönte Pony Car Format, wie Ford Mustang oder Chevrolet Camaro geschrumpft. Für die Saison 1977 wurde daher erst mal das maximale Modellalter der Wagen, von drei auf vier Jahre erweitert. Trotzdem wären viele Automarken von der Strecke verschwunden, wenn NASCAR nicht den Oldsmobile, Buick und Pontiac Teams erlaubt hätte, den 350 cubic inch Chevrolet Motor zu verwenden. Auch bei den Händlern verschwand der Big Block, vom Verbrauchs- und Smog-Equipment kastriert, aus den Verkaufsräumen.

Rolf Stommelen, ein bekannter deutscher Rennfahrer, bekommt 1971 in Talladega die Chance den Ersatzwagen von Bobby Allison zu fahren. Mit nur vier Trainingsrunden an Erfahrung, schafft er im Qualifying den 6. Startplatz. „Ich habe noch nie einen dieser ausländischen Rennfahrer erlebt, der so schnell das Wesen eines Stock Car begriffen hat, wie er,“ meinte ein sichtlich beeindruckter Richard Petty. Stommelen schied in der 53. Runde mit einer gebrochenen Kardanwelle aus. Auch andere bekannte ausländische Rennfahrer gaben Gastspiele in Nascar Wagen, weil die kurze Rennsaison in Europa so etwas zuließ. Jim Clark startet im Oktober 1967 beim American 500 in Rockingham, in einem Holman-Moody Ford, mit Jochen Rindt als Ersatzfahrer. Ein Motorschaden in der 149 Runde verhindert den Einsatz des jungen Österreichers. Beide waren im selben Jahr schon beim Indy 500 am Start gewesen, Clark mit Lotus, und Jochen Rindt in einem Eagle Weslake.

Bobby Allison – Southern Man

Bobby verlässt Miami, Florida auf der Suche nach dem gelobten Land für Rennfahrer. Mit dabei auch sein Bruder Donnie, den hauptsächlich das kommende Abenteuer reizt. In Montgomery, Alabama, fällt ihnen einattraktiver 34er Chevy mit Cadillac Motor auf, der an einer Tankstelle parkt. Der Inhaber, ein junger Mann, mit Namen Bo Freeman, zeigt ihnen erst mal den Montgomery Speedway. Auf Plakaten sehen sie, das an selben Tag ein Rennen, auf dem Dixie Speedway in Midfield, Alabama, stattfindet. Es ist Freitag Abend, und sie machen sichauf den Weg. Bobby belegt mit dem fremden Chevy den 5. Platz im Ausscheidungsrennen, im Halbfinale und im Finalrennen. In dieser Nacht gewinnen sie mehr Preisgeld, als das, was sie als Sieger in einem Rennen in Süd-Florida jemals erhalten hatten. Am Samstag Abend findet ein Rennen in Montgomery statt. Hier fährt Bobby die schnellste Zeit, gewinnt die Ausscheidung, das Halbfinale, das Sonderrennen „Australische Verfolgung“, und belegt im Hauptrennenden zweiten Platz hinter Sonny Black. Am folgenden Freitag tritt Bobby mit dem eigenen Wagen auf dem Dixie Speedway an, aber Motorprobleme verhinderten einen Start. Sie kehren nach Montgomery zurück, und Harry Mewborne, Sieger desRennens vom Freitag, schenkt Bobby am ein paar gebrauchte Tuning Teile. Der begibt sich sofort zur Tankstelle von Bo Freeman, und beginnt seinen Wagen leistungsmäßig aufzurüsten. Das Sonntagsrennen in Montgomery erreicht er erst nach dem Training, und muss sich daher im Feld hinten einreihen. Aber was für ein Abend, er gewinnt das Rennen von der letzenStartreihe aus. Die Brüder fahren zurück nach Miami, und Bobby erzählt seinem alten Freund Red Farmer, wie viel man in Alabama mit Autorennen verdienen kann. Zu dritt, und mit besseren Material, kehren sie zurück nach Alabama, und lassen sich dort nieder. Sie gewinnen Rennen, viele Rennen, und Bobby, Donnie und Red werden bekannt als die Alabama Gang . Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder Donnie, der seine Nascar Kariere treu und brav, mit einigen Erfolgen, in wenigen Teams fuhr, war Bobby eher das schwarze Schaf der Familie. Sein technisches Wissen versetzte ihn in die Lage, zu beurteilen, ob sein Wagen siegfähig war, oder nicht. Diese Meinung stand dann schnell im Gegensatz zu der seiner Teamchefs oder Renningenieure. Viele seiner Kündigungen erhielt er, wenn er eine Krücke mal wieder öffentlich als solche bezeichnet hatte. Mit spitze Zunge kommentierte er nicht nur das eigene Material, sondern auch seine Fahrerkollegen. „Wenn Richard Petty mit zehn Runden Vorsprung gewinnt, schreiben die Zeitungen das seiner überlegenen Fahrweise zu. Wenn ich mit einer halben Wagenlänge, vor ihm, ins Ziel komme, vermutet die Presse am nächsten Tag einen illegalen Motor in meinem Wagen.“ Von 1969 bis 1977 startete Bobby Allison oft mit eigenen Wagen, die billig von den Teams gekauft, die ihn gerade gefeuert hatten, nun zeigen konnten, was sie sie wirklich drauf hatten.

© 2004 Reiner Melching